Aus dem Leben einer Feministin: Intersektionalität

Bei Intersektionalität ging es mir lange wie vielen bei mathematischen Konzepten: Zusammenhang gehört, macht irgendwie Sinn, aber der letzte Funke fehlte noch.

Nun habe ich die letzten Tage viel Energie und Zeit auf die Kontroverse mit Rappaport verwandt (z.B. bei der Mädchenmannschaft). Ein Kampf, der irgendwann ermüdend wird und sinnlos scheint. Auf der Facebookseite überwiegen inzwischen die Kommentare mit „man wird doch wohl das N-Wort noch sagen dürfen“ und die meisten Presseberichte gehen in die gleiche Richtung. Weiße Menschen versichern sich allerorten, was nicht rassistische gemeint sei, könne halt nicht rassistisch sein. Im Offline-Leben sieht es etwas besser aus. Anstrengend ist es aber ohne Ende gewesen.

Was hat das nun mit Intersektionalität zu tun? Stop! Talking hat es mir richtiggehend in den Kopf gehämmert: Nach all der Aufregung kann ich nach Hause gehen und der ganze rassistische Scheiß betrifft mich nicht mehr. Sexistische Anfeindungen werde ich nicht los. Aber solange ich mich nicht explizit hinstelle und gegen rassistische Taten etwas sage, kriege ich keine Probleme. Vielleicht sehe ich noch Blackface-Plakate und rege mich darüber auf, aber sie greifen nicht meine Hautfarbe an.

Ich werde weiter Diskussionen aufgedrückt bekommen, ob kurze Röcke vielleicht doch eine Einladung zur Vergewaltigung sind – aber keine Diskussion, ob Schwarze Menschen vielleicht doch dümmer sind als Weiße. Nur, wenn ich dazu ausdrücklich Stellung beziehe und dann stehe ich auf einer ganz anderen Ebene. Anders als in Genderdiskussionen wird nicht mehr über mich geredet, als Weiße steht meine Intelligenz nicht zur Debatte. Wenn ich es mir anders überlege kann ich zurückflüchten in die Facebookkommentarwelt, in der weiße Menschen keine rassistischen Dinge tun.

Als Schwarze Frau könnte ich das nicht. Und ich müsste jederzeit damit rechnen, dass die Frau, mit der ich mich eben noch gegen Vergewaltigungsentschuldigungen eingesetzt habe, nicht gleich doch über meine Intelligenz redet. Genauso wie ich als behinderte Frau damit rechnen muss, dass auch Frauen*-Einrichtungen nicht barrierefrei sind.

Ich weiß, dass es schwer ist, immer mitzudenken, wer wo wie ausgeschlossen werden könnte. Es ist aufwendig, Bilder in Blogposts anständige Alt-Label zu versehen oder Transkriptionen von Audioaufnahmen zu erstellen. Irgendwann rutscht einer doch ein „das ist ja lahm“ heraus oder das Problem einer rassistischen Dekolampe erschließt sich nicht sofort. All das betrifft mich ja nicht. Und genau deshalb ist es so wichtig, trotzdem zuzuhören, Fehler einzugestehen und sich zu kümmern. Am Ende kann ich nach Haus gehen und mich nur noch mit Sexismus herumschlagen. Mehrfach diskriminierte Frauen* können das nicht.

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