Bloß keine kritische Mediendebatte – warum ich Pro Quote nicht mehr unterstütze

Was ist relevant? Wer bestimmt das? Wie sehr reflektieren Journalist_innen ihre eigenen Standpunkt? Weiß sein, männlich sein, deutsch sein? Diese Fragen treiben mich hier gerade seit einigen Blogposts um. Die Berichterstattung des ZDF zu Frauen, Transmenschen, Flüchtlingen ist mies, Wetten dass…? „glänzt“ mit lustig-übergriffigen Sexismen und auch der Tatort recyclet nur schlimme Lesben-Klischees. Der jetzt ein Jahr andauernden Fail Deutschlands auf allen Ebenen im Umgang mit der NSU (auch in den Medien) kommt dazu, wie auch die allgegenwärtigen Bühnen für den angeblich Ausgestoßenen Kachelmann. Medienberichte, die mit dreisten Lügen am Ende gerade Frauen die Lust an Politik verderben, wie heute Marina Weisband am Beispiel des Spiegels aufzeigte.

Dass dies irgendwann mal anders wird, ist eine der Forderungen von Pro Quote, die ich zum Start mitgetragen habe:

Wir engagieren uns für eine verbindliche Frauenquote von 30 Prozent auf allen Führungsebenen bis 2017 – in allen Print- und Onlinemedien, in Fernsehen und Hörfunk. Frauen sind in den Führungspositionen der Redaktionen, Verlage und Sender dramatisch unterrepräsentiert. Das widerspricht der gesellschaftlichen Relevanz und dem gesellschaftlichen Auftrag der Medien.

Nun wird bei der Zeit Sabine Rückert die erste Chefredakteurin. Yay, mag sich die geneigte Feministin denken, endlich eine Frau. Doch so toll ist das nicht, wie das Missy Magazine zusammengetragen hat.

Eine Journalistin also, die sich während ihrer gesamten Karriere nur mit antifeministischen Positionen profilierte. Die die feministische Bewegung diskreditierte, wo sie nur konnte. Die im Fall Kachelmann die Zeuginnen auf zutiefst frauenfeindliche Weise verhöhnte und mit dem gängigen Vorwurf “selbst schuld” für unglaubwürdig erklärte. Die für diese und andere unsägliche Kampagnen, in denen sie sich stets auf Seiten der vermeintlichen männlichen “Opfer” von Vergewaltigungsprozessen stellte und Zeuginnen/Klägerinnen als rachsüchtige Lügnerinnen vorverurteilte, zurecht in den Foren von Maskulisten gefeiert wird.

Wie die Missy stelle auch ich mir die Frage: Reicht uns das? Geht es darum, einfach irgendeine Frau zu pushen? Auch wenn diese im schlimmsten Fall auf Kosten anderer Frauen Karriere macht, gar eine explizit frauenfeindliche Agenda verfolgt? Oder können wir das zwar hinnehmen, aber wenigstens darüber reden? Doch nicht einmal das will Pro Quote, wie sie erst bei Twitter und nun auf ihrer Facebookseite deutlich machen:

Für alle anderen Ziele können wir nicht unsere 4000 Unterstützer und Unterstützerinnen nicht vereinnahmen, dazu haben wir kein Mandat! Wir glauben, dass uns gerade diese Klarheit stark und erfolgreich macht. Und ja, das Ziel mag auch der „kleinste gemeinsame Nenner“ sein – aber wollen wir das nicht mal erst erreichen, bevor wir gegenseitig unsere Gesinnungen prüfen?

Im November wird Pro Quote eine Ausgabe der taz gestalten. Dafür sammelt die Initiative derzeit Beispiele für sexistischen Journalismus. Davon gibt es genug. Eine Debatte ist dringend nötig. Doch dazu müssen wir bereit sein, mehr als nur ein paar Negativbeispiele hinzurotzen und undifferenziert „die Quote“ als Heilmittel zu fordern. Wir müssen tiefer gehen, gesellschaftliches Ungleichgewicht anschauen, Mechanismen aufdecken und neue Strategien entwickeln. Doch davon ist derzeit leider nichts zu sehen.

Bedingungslose Unterstützung für eine Frau, die keine Bedenken hat, Frauen unter Generalverdacht zu stellen. Und bitte keine Debatte über Inhalte, sondern hirnlose Ausrichtung auf den „kleinsten gemeinsamen Nenner“. Um das noch mal ganz klar zu sagen: Es geht nicht um Feinjustierung oder Detailfragen – es geht darum überhaupt einmal nachzudenken, wie weit die Solidarität zu Frauen gehen muss und kann. Wenn Pro Quote nicht einmal dazu bereit ist, dann kann ich den Offenen Brief nicht mehr unterstützen.

7 Gedanken zu “Bloß keine kritische Mediendebatte – warum ich Pro Quote nicht mehr unterstütze

  1. Ja, das Statement von Pro Quote ist deutlich: Wir wollen den Frauenanteil, Punkt. Die Art der Formulierung gefällt mir nicht. Auf die Unterstützer_innen zu verweisen, für die man nicht sprechen dürfe, anstatt selber Stellung zu beziehen, das ist ein bisschen schwach. Erst in den Kommentaren auf FB wird nachgeschoben: „Natürlich wünschen wir uns, dass die Frauen, die an die Spitze kommen, auch weiterhin Frauen unterstützen.“ Aber das ist dann eben ein hehrer Wunsch, kein Teil der Forderung. Und die Befürchtung ist wohl: Wäre es Teil der Forderung, hätte die Initiative nicht so viele Unterstützer_innen. Bleibt zu hoffen, dass dort, wie die Quote umgesetzt wird, die 30% nicht bloß aus Antifeministinnen besteht… :-/

  2. Du hast recht, es ist tatsächlich bedauerlich, dass ausgerechnet die Frauen Karriere machen, die auf dem Weg zu dieser Karriere nicht durch feministische Positionen aufgefallen sind. Wenn ich mich nicht täusche, dann hat Alice Schwarzer damals die Wahl von A. Murkel gefeiert, weil endlich überhaupt eine Frau an der Spitze des Staates erlebbar wurde und ich hab mich gefragt, was es da zu loben gibt. Schwarze auf der ganzen Welt haben Obama’s Wahl zum Präsidenten mit Begeisterungsstürmen aufgenommen. Ich war erneut konsterniert.
    Heute denke ich, es ist offenbar notwendig, die grundsätzliche Akzeptanz zu erhöhen, um es überhaupt zu ermöglichen, Menschen aus bislang benachteiligten Gruppen den Zugang zur Macht zu ermöglichen. Und das lässt sich wohl am ehesten dadurch bewerkstelligen, dass möglichst viele bisher ausgegrenzte Zugang erhalten, unabhängig von ihrer Intention und Kompetenz.

  3. Die Forderung von „Pro Quote“ war mir zu, wie sag‘ ich es, zu unausgereift. Offene Fragen blieben bei mir viele. Beispiele:
    – Was ist mit trans* Menschen? Können Sie und falls ja, unter welchen Bedingungen die Quote für sich beanspruchen? Vielleicht wird es ja ähnlich wie in Legenden um den Klostuhl bei der Papstkrönung gehandhabt
    – Das gleiche gilt natürlich auch für intersex* Menschen. Und hier wird es dann richtig bitter, denn vielen wurde das Geschlecht Frau zugewiesen einhergehend mit Zwangsoperationen und -behandlungen. Sollen jetzt die, die Glück hatten und dem entgangen sind, durch die Hintertür „bestraft“ werden?
    Selbst wenn mensch sich an den der „Pro Quote“ zugrundeliegenden aus meiner Sicht altmodischen Feminismuskonzepten und der Fixierung auf ein binäres Geschlechtsidentitätenmodell nicht stören wollte, dann sollte durch die Entscheidung bei der „Zeit“ auffallen, das eine Forderung wie die von „Pro Quote“ dem Feminismus nicht nutzen kann.

  4. Das Problem an der Frauenquote, wie an solchen Quoten an sich, ist der Mechanismus, in den sie eingreifen.
    Führungspositionen werden am ehesten an jene Personen weiter gegeben, welche den bisherigen Führungskräften am ähnlichsten sind. Eine Quote bietet dabei den geringen, aber wohl größtmöglichen Kompromiss, dass der Mechanismus wenigstens im Sinne der Gleichberechtigung zugunsten des bisher benachteiligten Geschlechtes aufgeweicht wird.
    Mehr kann und darf eine Quote nicht fordern, weil damit zu sehr in die Unternehmenspolitik eingegriffen werden würde. Die Quote ist bereits ein staatlicher Eingriff in die Selbstbestimmung von Unternehmen, welchen wir zugunsten der im Grundgesetz festgeschriebenen Gleichberechtigung der Geschlechter machen. Aber die Forderung, dass die Führungspositionen zudem bestimmten Meinungsbildern angehören müssen, ginge weit darüber hinaus. man kann von Staatswegen her nicht sinnvoll fordern, dass die eingesetzten Frauen auch „echte Frauen“ sind bzw. Frauen, die einem bestimmten Klischee oder einem bestimmten Meinungsumfeld angehören.
    Die Quote ist „Hauptsache Frau“, weil alles darüber hinaus schlicht und ergreifend nicht durchsetzungsfähig ist (diese Beschränkung trifft natürlich nicht auf gesellschaftlichen Druck zu – den kann man durchaus weiter treiben).
    Der zynische Kern ist: die Forderung nach einer Quote, die über eine bloße Zahl hinaus geht, klingt so, als würde Frauen das Recht abgesprochen, sexistisch zu sein (bitte nicht allzu ernst nehmen >.<).
    Solange eine bestimmte Ansicht nicht rechtswidrig ist, kann man sie nicht mit politischen Beschränkungen belegen. Man kann nicht verbieten, dass die antifeministische Frau befördert wird – und genau deswegen sollte man das auch der Quote nicht vorwerfen.
    Es geht darum, zu zeigen, dass Frauen genauso für Führungspositionen geeignet sind, wie Männer – mehr nicht. Dabei werden ganz natürlich jene Frauen befördert, welche den ursprünglichen männlichen Führungskräften am ähnlichsten sind, weil sie nach mit Ausnahme des Geschlechts nach dem selben Mechanismus befördert werden.
    Die Forderung nach einer stärkeren Repräsentation von feministischen Positionen, der Frauenrechte, der Akzeptanz von geschlechtlicher und geschlechtsbezogener Vielfalt ist etwas, das man nicht alleine über eine solche Quote bekommen kann. Dennoch würde ich deswegen die Quote nicht per se ablehnen. Sicherlich ist sie kein Allheilmittel und insbesondere kann sie nicht mehr bieten, als "Hauptsache Frau". Das ist schade, aber das ist wenigstens ein kleiner Schritt in die richtige Richtung.
    Soll heißen: Selbst wenn die Quote keinen bemerkenswerten Effekt liefert, MIT Quote ist dennoch besser, als ohne.

    • Der Staat greift doch an unendlich vielen Punkten in die Selbstbestimmung von Unternehmen(!?) ein. Arbeitnehmer_innenschutz am Arbeitsplatz, in den Verträgen, Mutterschutz, Recht auf Teilzeit, Rückkehr nach Elternzeit, Einstellung von schwerbehinderten Menschen…

      Es geht auch am Ende nicht darum, dass Frauen nicht sexistisch sind oder sein dürfen. Keine_r fordert, anti-feministische Frauen nicht zu befördern. Es geht darum sich zu fragen, ob Pro Quote und den Unterstützer_innen die Quote alleine genug ist, was eigentlich genau am Ende anders werden soll. Um noch einmal Missy zu zitieren:

      Jetzt geht es um die Wurst, liebe Kolleginnen. Reicht euch das? Gebt ihr euch damit zufrieden, einfach mehr Frauen in leitender Position in den Redaktionen installiert zu sehen? Oder steht ihr mit “Pro Quote” für eine tatsächlich feministische Kritik, die dann zwingend auch beinhalten müsste, für einen Journalismus einzutreten, der Sexismus und Ungleichbehandlung anprangert und für bessere Lebensbedingungen von Frauen eintritt? Falls letzteres, so hoffen wir sehr, dass ihr euch zu dieser Personalentscheidung kritisch verhaltet.

      (Dieser Verweis gilt auch für einige nicht-freigeschaltete Kommentare.)

  5. So läuft es doch schon immer. Wie oben schon richtig angemerkt, geht es vielen nur um „Hauptsache eine Frau“ mit Merkel als Paradebeispiel. Da haben genug CDU-Hasserinnen Merkel gewählt, einfach weil sie eine Frau ist. Schwarzer allerdings ist das schlechteste Beispiel. Als BILD Kolumnistin und Werberin geht es ihr nicht um „Hauptsache eine Frau“, es geht um „Hautpsache Ich“.
    Dass das alles sogar kontraproduktiv ist verstehen sie gar nicht. Erstens ist es die Gleiche Denkweise wie sie Männerbevorzuger an den Tag legen, es wird einzig und alleine auf Grund des Geschlechts ausgesucht. Zweitens gibt man Kritikern der Quote die besten Argumente an die Hand: Es sind mehr Frauen in den Positionen. So macht man es sogar noch schlimmer.

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