Wozu mir die Worte fehlen (Teil 1)

In den letzten Tagen sind gefühlte 10000 Debatten gleichzeitig abgelaufen. Zu so vielen habe ich Gedanken im Kopf, aber bisher ist vieles unsortiert. Das macht aber nichts, denn viele Leute haben kluge Dinge dazu geschrieben.

Ein Bücherregal, darüber ein Schild: Verständliche Wissenschaften

Zum Verstehen gehört auch das „verstehen wollen“.

Inzwischen schon seit Monaten beschäftigt mich die Debattenkultur im Internet, in feministischen Blogs, auf Facebook. „Ihr schreit sofort alle nieder, die nicht Eurer Meinung sind“ heißt es da. Auf der einen Seite kann ich es verstehen – als ich selbst meine ersten Schritte auf feministischen Seiten machte, hat mich niemand für blöde Ideen zurecht gewiesen. Wie auch? Da war ja kaum jemand. Das feministische Wissen im Internet wuchs da gerade langsam an und meines wuchs mit. Stück für Stück konnte ich mir neue Perspektiven anlesen und verstandene Mechanismen von einem aufs nächste Thema übertragen. Heute gibt es viele Feminist_innen im Netz. Als „Frischling“ hereinzustolpern ist da ungleich schwieriger. So viele Texte, so wenig Anleitungen, so viele Augen und Ohren, die jeden Schritt begleiten.

Andererseits ist selbst die genervteste Antwort in manchen Diskussionen harmlos, weil ich am liebsten eine Schimpfkanonade ablassen möchte. Wenn weiße Menschen darauf bestehen, Schwarze mit rassistischen Ausdrücken ansprechen zu dürfen, obwohl ihnen klar ist, dass „Schlampe“ oder schlimmeres gar nicht gehen. Wenn mir wieder eine Feministin schreibt, sie „habe nichts gegen Transfrauen“ aber „die Trans-Agenda“ würde am Ende alle Frauen zerstören, deswegen müsse man sie stoppen. Weil zuviele Debatten so fruchtbar verlaufen, wie der Versuch einen Pudding an die Wand zu nageln und ich schon keine einzige mehr führen möchte.

Hier geht es um die existenziellen Grundlagen des menschlichen Miteinanders. Um Respekt vor Menschen, die von Diskriminierungen betroffen sind; um ihre Menschenwürde, die mit Füßen getreten wird. Und dann kommen im schlimmsten Fall tendenziell weniger betroffene Personen an und hauen den Stempel „Empörkultur“ drauf. Dabei verkennen sie manchmal sogar, dass es nicht um Beziehungen unter gleichen geht, sondern alte gesellschaftliche Machtverhältnisse. Manchmal wird das erkannt aber „wenn Ihr nett fragen würdet, würde sich was ändern“ herausgeholt. Um es mit Martin Luther King zu halten: Funktioniert nicht.

Irgendwo in diesem Spannungsfeld irre ich seit Wochen umher. Ich will alles hinschmeißen und kann es doch nicht. Das Verändern muss anders laufen. Doch wie? Einen schönen Denkanstoß habe ich bei Spectra Speaks gefunden – auch hier geht es um Martin Luther King. Ihre Lösung, Held_innen neu denken, sollten wir auch auf „uns“ anwenden. „Uns“, die Netzaktivist_innen und/oder die Netzfeminist_innen.

Imagine him in his broken moments — frustrated, angry, irritable, and unleaderly, and pray he had someone to love him when he was weak.

Stellt Euch die anderen in ihren kaputten Augenblicken vor – frustriert, wütend, gereizt und ohne Führungskraft und bittet darum, dass sie jemanden haben, der sie liebt, wenn sie schwach sind. (Sehr frei übersetzt.)

Frustriert, wütend, gereizt und am Ende unserer Kräfte. Unsere Vorbilder waren und sind das immer wieder und wir alle auch. Menschlich.

Ein Gedanke zu “Wozu mir die Worte fehlen (Teil 1)

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