15.2.2019 – Notdienst

Bester Start ins Wochenende: Weil die Zähne schmerzen, am Freitag Abend in die Notfallsprechstunde gegangen. Zwei Zähne sehen plötzlich aus, als sei etwas herausgebrochen. Der Rest vom Kopf schmerzt auch wieder. Alles „normal“ bei Kieferorthopädie, die Schmerzen müsse ich einfach aushalten. Könnte ein schlimmeres Ergebnis sein. Aber.

Ich bin so müde, wie da so ein „Luxusproblem“ durchschimmerte. Selbst wenn ich könnte, will ich nicht 20 Jahre Krankheitsgeschichte auf den Tisch legen müssen. Kann ich nicht mal, die Zeit reicht gar nicht und im kohärenten Zustand bin ich auch nicht mehr. Stattdessen ärgere ich mich noch, nicht morgens in der richtigen Abteilung angerufen zu haben. Der Morgen ging schon für einen Orthopädie-Termin drauf, dann ging es eine Weile besser und schließlich war es Freitag Nachmittag.

Schmerzen interessieren sich nicht für Öffnungszeiten und Papierkram. Ich muss alles drei im Blick haben – plus die Leute, denen das nicht klar ist. Ich bin so müde.

13.2.2019 – Zeitlupe

Nach zu wenig Schlaf völlig verkrampft aufgewacht. Durch solche Tage gehe ich wie in Zeitlupe. Einen Schritt vor den anderen. Schlimm ist das Gefühl der Unproduktivität. Fast nichts geschafft und das im Schneckentempo. Warum nur tackern wir soviel Wert auf ominöses Schaffen? Warum lege ich soviel Wert darauf?

Manchmal ist der radikalste Akt das Überleben – irgendwo in feministischen Debatten der letzten Jahre habe ich diesen Gedanken aufgeschnappt. Wenn ich in die Produktivitätskrise gerate, hole ich ihn wie ein Mantra hervor. Erstmal Überleben. Aufräumen kann ich morgen noch.

13.2.2019 – Papier für die Bürokratie

Einen Riesen Stapel Papier mit meinem Leben ausgefüllt und unterschrieben und gelocht, damit ich ihn morgen zur Post bringen kann. Neben den toten Bäumen und der vielen Zeit eine Menge emotionaler Arbeit mit ungewissem Ausgang.

Und: ein emotionales Nackigmachen. Lebensqualität gibt’s hierzulande nur bei heruntergelassener Hose. Nein, das widerspricht sich doch.

Also, etwas mehr Lebensqualität gibt es nur, wenn eins woanders darauf verzichtet.

Wer chronisch krank ist, begegnet dieser Einstellung leider immer wieder. Irgendwer(TM) könnte das System ausnutzen und sich das Leben ungerechtfertigt zu schön machen. Also leisten wir uns riesige bürokratische Apparate mit Kontrollen vorher und hinterher und alle innendrinnen stehen unter Rechtfertigungsdruck, zusätzlich zum Kranksein. Kostet sehr viel Geld und macht niemandem Spaß – ein umwerfender Deal, den wir uns da leisten.

9.2.2019 – Schlaf

Eigentlich bin ich schon zu müde, doch mein Unterbewusstsein lässt mich nicht schlafen, wie sonst eigentlich nur, wenn ich vergesse, den Wecker zu stellen.

Heute war so ein 50-Prozent-Tag. Keine Schmerzen, nur so eine Grundanspannung, die Energie frisst. Der Tag war leicht schief. Gerade so, dass alles rumpelt, immerhin nichts komplett daneben geht aber es einfach zu anstrengend wäre, alles wieder gerade zu biegen. Ich muss mir die Arbeit gut einteilen. Immer wieder.

8.2.2019 Wochenende

Nach Speckendicken und Berliner Luft sind Tag und Woche um und etwas unerwartet gibt es keine weiteren Verpflichtungen. Also, außer einem Besuch der Post, Friseurinnentermin, etwas Putzen und „nicht verhungern“. Vielleicht noch Yoga und etwas Self Care. Wenn nicht Schmerzen dazwischen kommen.

Ob die Zeit ausreicht, Grace & Frankie endlich zu schauen? One Day at a Time ist auch wieder da und Russian Doll soll gut sein. Große Pläne, zumindest für mich.

7.2.2019 Hinschauen

Nach fast einer Woche Tagebuchbloggen setzt sie ein, die Sprachlosigkeit. Heute war noch ein guter Tag. Zumindest auf den ersten Blick. Wer genauer hinschaut sieht, wir hier und dort Dinge verloren gehen, Pläne langsam zerbröckeln.

Ich merke, wie mein Kiefer weiter arbeitet und Zähne umstellt. Am Ende sollen sie Joy sparken. Immerhin passiert das gerade auf der Seite mit dem heilen Gelenk, vielleicht ist morgen also wieder ein guter Tag.

Apropos: auf den ersten Blick sah alles gut aus mit dieser Kieferseite, die Schmerzen waren woanders. Erst beim genauen Hinschauen fiel auf, dass eigentlich nichts stimmte.

6.2.2019: Probleme lösen

„Liebes Tagebuch, heute war wieder ein guter Tag.“ Muss eins ja auch mal sagen. Ich habe gleich für zwei Probleme Lösungen gefunden oder zumindest neue Ansätze, die ich ausprobieren kann. Eines beschäftigte mich schon monatelang. Manchmal liegt über den einfachsten Dinge ein bleierner Schleier. Ich weiß, dass irgendwo in meinem Kopf schon die Lösung liegt, aber ich finde sie nicht. Bei den wichtigeren schubse ich ihn immer wieder an, bis der Knoten sich löst. Alles andere bleibt einfach liegen.

Ein häufiger Ratschlag in dieser Situation ist, „einfach mal loszulassen“. Nur wie etwas loslassen, von dem eins nicht weiß wo es ist, aber dass es da ist? Immer mit der vagen Angst, es könne verderblich sein. Bisher ist das meiste gut gegangen. In den immer lichteren Momenten des letzten Jahres habe ich Stück für Stück selbst uralte Punkte der To-Do-Liste abgehakt.

Loslassen geht danach übrigens sehr einfach.

5.2.2019: Badewanne

Bloggen aus der Badewanne. Geiler Scheiß, den Smartphones da möglich machen. In der Küche köchelt schon mal der Reis im Kocher. Weil ich welchen verschüttet habe, düst darunter der Staubsaugerroboter rum. Heimautomatisierung. Noch so ein geiler Scheiß. Ich liebe diese Maschinen, besonders, wenn sie mit einem Timer passend an- und ausgestellt werden können. Alles, was ich in guten Momenten vorbereiten kann, damit es später egal ist, wie es mir geht.

Gestern hab ich das vergessen. Was nicht schlimm wäre, wenn ich nicht mit fiesesten Kopfschmerzen aufgewacht wäre. Mein Körper verlangte nach Wärme, der Badewanne, einem Tag im Bett. Leider war meinem Kopf klar, dass nichts außer einer Ibu helfen würde. Wofür es Frühstück braucht, damit ich nicht ein medizinisches Problem gegen das nächste eintausche. Statt noch superproduktiv die fertige Spülmaschine auszuräumen hieß es abwarten auf den Moment, an dem mein Körper kurz genug Energie beisammen und die Schmerzen vergessen hatte, um aufzustehen. Ein Stück zu heiß duschen, um die Schmerzen weiter zu vertreiben. Gerade so dass es reicht, endlich zu frühstücken. Hätte ich das gestern mal vorbereitet, alles wär einfacher gewesen.

Tag im Bett ging natürlich nicht, weil ich gestern (als es mir äußerst gut ging) noch eine Last-Minute-Aufgabe angenommen und genau so weit fertig hatte, dass jede Übergabe wiederum eine Menge Arbeit nach sich gezogen hätte. Überhaupt: Gestern. Hatte ich zu lang gearbeitet, weil es ein guter Tag war? Statt zu Haus zu baden einen Workshop weitergeplant, weil sich ein paar Aufgaben anboten? War es beim Joga vielleicht zu kalt im Zimmer? So wird es weniger Tagebuchbloggen als Vortagsbloggen. Kranksein und Schmerzen zwingen eins mit ihrer Unwägbarkeit immer wieder neues Reflektieren auf. Jeder Plan könnte sich gleich in Luft auflösen. Von außen sehen wir oft unflexibel aus, dabei ist das Leben mit chronischer Krankheit von innen hyperflexibel.

Inzwischen ist der „Außenschmerz“ weg, eine Art Schleier, die eine Weile alles überdeckt, bis nur noch kleine Schmerzpunkte überbleiben. Ich merke, wie der Schädelknochen drückt, wo Muskeln und Sehnen ziehen. Vermutlich war gestern völlig egal und mein kaputtes Gelenk hat sich über Nacht ein winziges Stück zurückgeschoben, zurück in seinen Originalzustand. Der Arzt hatte bei der letzten Begutachtung darauf gehofft. Ich hätte es fast lieber, es bliebe bei „nicht ganz heile“, weil jedes Stückchen Verbesserung erstmal so hart erkauft ist. Bis dahin bleibt mir die Badewanne. Sie ist ein bißchen kalt geworden.

3.2.2019

Blogpost überlegt. Über das Aufräumen und wie es mit half, jeden Tag zu überstehen. Genauer gesagt: Das Leben umzuräumen, um den Schmerz herum. An guten Tagen alles so zu legen, dass der Aufwand für die schlechten Tage möglichst klein ist.

Stattdessen gemerkt, wie der Nacken erst piekste und über das Ohr ein Kopfschmerz erwuchs. Jetzt heißt es still zu halten. Aushalten.