Gestern war in Berlin die siebte Demo „Freiheit statt Angst“ und nach einigen Malen „dabei seins“, gar mitorganisierens, bedeutet sie mir inzwischen nichts mehr. Außer Ideenlosigkeit, die an meinem Leben völlig vorbei geht.
Die Schlagwörter um Snowden und Geheimdienste beherrschen die Rhetorik, Angstszenarien statt Freiheitsutopien die Werbebilder. Dabei sind das Überwachungstendenzen, die mit meinem Leben nichts zu tun haben. Es ist kein gutes Gefühl, das potentiell jeder Geheimdienst alles über mich weiß, aber die stehen auch nicht vor meiner Tür.
Überwachung und Angst statt Freiheit sind real. So real, dass vermutlich alle Betroffenen anderes zu tun haben, als die FsA zu organisieren. Abseits von Geheimdiensten ist Überwachung mit sofortigen Konsequenzen an der Tagesordnung. Für Hartz-IV-Bezieher_innen (die sich auch nicht unabgemeldet frei bewegen dürfen) und künftig noch stärker deren Partner_innen. Für Flüchtlinge, die sich manchmal immerhin bundeslandweit bewegen dürfen. Für Nicht-weiße Menschen, die aufgrund ihrer Hautfarbe jederzeit mit „anlasslosen“ Kontrollen rechnen müssen. Für Schwangere und Eltern mit kleinen Kindern, die zwischen Übergriffen in die Intimsphäre und als unterstützend empfundenen Untersuchungen abwägen müssen. Für politisch aktive Frauen mit Meinung, denen von doxing bis Morddrohungen alles passieren kann.
Mehr als ein Bett für Snowden und erwartbar konsequenzlosen Forderungen nach Konsequenzen für Geheimdienste braucht es Ideen, Lösungen und Utopien für eine Gesellschaft ohne allgegenwärtige Überwachung. Edward Snowden vor einem Untersuchungsausschuss schafft keine Zählung der Zahnbürsten in WGs ab. Aber ein anderer Blick auf Flüchtlinge, Migration und Nationalität bringt neue Perspektiven in der Polizeiarbeit, die Vorratsdatenspeicherung will, weil sie an Ländergrenzen „scheitert“.
Stattdessen verkauft ihr uns einen Anzugträgerblock als normale Leute. Lösungen sehen anders aus.
PS: Siehe dazu auch Claudia Killian.
PPS: Ich weiß, dass es einen Hurenblock gab. Ein Block mit einem aktuellen konkreten Anliegen macht noch keine gesellschaftliche Utopie.